Das jahrzehntelange Ringen des Architekten Otto Bartning (1883 – 1959) um die sakrale Raumform findet in der 1957 erbauten Marler Erlöserkirche sichtbaren Ausdruck als eine Synthese von Lang- und
Zentralbaugedanken, ein basilikales Prinzip aufgreifend. Der 9,90 m hohe, 25,65 m lange, ungeostete Baukörper ist an der Eingangsfront 23,70 m breit, er verjüngt sich – bei rechteckigem
Hauptschiff – durch zwei Seitenschiffe zum gegenüberliegenden Altarraum hin auf 8,70 m. Die Architektur im Inneren ist darauf ausgerichtet, dass diese Konzentration des Raumes unmittelbar
sinnlich empfunden werden kann. Die ganz in hochrechteckige Fenster aufgelösten Wände der beiden Seitenschiffe steigen zum Altar hin an, wobei sich der Abstand der Fenster verkürzt, so dass die
größte Lichtfülle im Altarraum erreicht wird. Zugleich weist der Fußboden ein leichtes Gefälle zum Altar hinauf.
Die Ziegelmauerwerk der Altarwand ist an den Seiten und oben apsisartig leicht zurückgewölbt, sie kommt dem Raum gleichsam entgegen. Aus der Wand tritt ein großes, fugenlos gemauertes
Backsteinkreuz reliefartig hervor, das symbolisch an das biblische Bild der Gemeinde als lebendige Steine des geistlichen Hauses erinnert, in dem Christus der Eckstein ist. An diesem Eckstein
scheinen sämtliche Linien des Raumes ihren festen Halt zu finden – von ihm aus laufen sie auseinander und geben dem Raum seine große Weite „in die Welt“. Lebendigkeit in Form und
Materialverwendung, die zu durchlässiger Raumstruktur führt, attestiert Ingrid Küster der Kirche (Dissertation 1982). Unverputztes Ziegelmauerwerk; die vier freistehenden Pfeiler und die
weitgespannte Tragkonstruktion in Sichtbeton. Die gegliederte Holzkonstruktion der Decke erinnert ebenso wie die obergadenartigen Fensterbänder an Bartnings expressionistische „Notkirchen“. Auch
die Farbverglasung der Fenster wurde von Bartning selbst entworfen.
Die zweimanualige Schleifladenorgel auf der Empore mit 24 Registern stammt aus dem Jahre 1967. Unter der Empore, bartningtypisch, flexibel abtrennbare Gemeinderäume. Der originale Zustand des
Kirchenraums ist erhalten (die verklinkerten Wandscheiben zwischen den unteren Fenstern waren ursprünglich in Sichtbeton gedacht), Umbauten gab es im Bereich der Gemeinderäume. Die Kirche
entstand im Rahmen des Siedlungsbaus für Flüchtlinge und Vertriebene, weshalb ihr auch eine kulturgeschichtliche Bedeutung zukommt, und als Teil eines sich direkt an die Altarseite anschließenden
Bauensembles kirchlicher Einrichtungen, die ebenfalls von Bartning (und Dörzbach) entworfen wurden.
Nachdem die Evangelische Stadtkirchengemeinde Marl (ESM) die Kirche im Stadtteil Brassert ab 2015 nicht mehr nutzte, übernahm der Heimatverein Marl e.V. dann das denkmalgeschützte Bauwerk am 19.
Dezember 2018 komplett ins Eigentum. Nach der Entwidmung durch die ESM wandelte der Heimatverein das ehemalige Kirchengebäude nach und nach in ein Kulturzentrum um – mit einer gut 50 qm großen
Bühne, veranstaltungstauglicher Bühnenbeleuchtung nebst Soundsystem, einer großflächigen Leinwand, mobiler Bestuhlung, einem neu gestalteten Foyer inkl. neuer und behindertengerechten Toiletten,
einem neu gestalteten Platz vor dem Kulturzentrum inkl. einiger zusätzlicher Parkplätze, selbst die alte Orgel wurde wieder fit gemacht und sogar noch um einige Register erweitert. Die
energetische Sanierung – vor allem der großen Dachflächen – steht allerdings noch aus.
Genutzt wird das Kulturzentrum mit all seinen Räumlichkeiten mittlerweile für Konzerte, Lesungen, Vorträge, Familienfeiern und Ausstellungen. Besonders beliebt ist das Gebäude inzwischen bei
jungen Paaren, die sich dort standesamtlich trauen lassen können. Aber auch Chöre und Orchester nutzen das Kulturzentrum gerne als flexiblen Probenraum.
Weitere Infos und Kontakt zum Eigentümer: www.heimatverein-marl.de